Ortstreffen 2008

Festrede zur Stadterhebung Katharinabergs

Meine lieben Landsleute,

bei unserem diesjähriges Ortstreffen wollen wir ganz besonders der mehr als 800jährigen Besiedlung unseres Heimatortes gedenken und die bewegte Geschichte Katharinabergs gedanklich an uns vorüber ziehen lassen.

Über die ersten Siedler sagt der Stadtchronist Alois Walter, dass kurz nach dem Jahre 1200 Bergleute von der fränkisch-niedersächsischen Grenze und ein Teil aus Thüringen in das damals unerschlossene Erzgebirge kamen. Im Aufspüren von Erzen suchten sie ihr Glück. Als die Hussiten 1429 über das Erzgebirge ins Meißnerische einfielen, zerstörten sie auch die Bergwerksanlagen von Katharinaberg. Nach Mathesius soll der Katharinaberger Silberbergbau damals zu den vorzüglichsten Böhmens gehört haben. Kurz nach 1500 ist uns bereits ein eigenes Bergamt in der Steingasse überliefert.

Zur damaligen Zeit gehörte der Ort zur Grundherrschaft Rothenhaus. Ab 1516 residierte dort der bergerfahrene Sebastian von der Weitmühl. Er war es, der bei Kaiser Ferdinand I. um die Erhebung Katharinabergs zur Freien Bergstadt nachsuchte. Der Kaiser entsprach dieser Bitte und verlieh am 2. Februar 1528 das Stadtrecht. Unsere Heimatstadt durfte ein Wappen führen, Urkunden siegeln und erhielt eine ganze Reihe Begünstigungen. Der Grundherr erteilte der Stadt noch weitere Freiheiten.
Hier seien nur einige Privilegien erwähnt:
„6)     Es soll jedermann, vom Tage der Errichtung dieses Privilegiums angefangen, durch zehn aufeinander folgende Jahre von aller Steuer, allem Scharwerk, Hofdienst, und aller Fron frei sein.
7)      Jedermann kann über sein Eigentum, Bergteil, Hof, Haus, Feld, oder was sonst er besitzen möge, frei verfügen. Stirbt jemand ohne direkte Leibeserben und ohne Testament, so fällt sein Eigentum an die Angehörigen bis ins sechste Glied.
8)      Gewährt wird freier Zu- und Abzug, mit Hab und Gut, Weib und Kind und sonstigen Angehörigen.“
Wenn man sich vorstellt, dass die Bewohner der umliegenden Orte leibeigen waren und Scharwerk und Frondienste leisten mussten, kann man ermessen, was es bedeutete in einer „Freien Bergstadt“ leben zu können.

Kriege und Pest

Doch vor Unglück blieb auch eine Freie Bergstadt nicht verschont. Immer wieder war das Städtchen in den kriegerischen Zeiten der zurückliegenden Jahrhunderte Raub, Plünderungen und Drangsalen der schlimmsten Art ausgesetzt. Die Bürger wurden nicht nur von den Wirren des 30jährigen Krieges, sondern auch von den Plagen des 7jährigen und des Bayer. Erbfolgekrieges heimgesucht. In der Stadtchronik lesen wir immer wieder von Plünderungen und Brandstiftungen, wir erfahren wie einfache und auch angesehene Bürger der Stadt erstochen, erschlagen oder ins Feuer geworfen wurden. Freund und Feind waren gleich grausam gegenüber der wehrlosen Einwohnerschaft. Allein zwischen 1756 und 1762 musste das Stadtl vierzehn Plünderungen durchmachen. Außerdem waren alle durchziehenden Truppen zu verköstigen. Die Bewohner wurden in diesen Zeiten bettelarm.
Auch die Geisel der Pest wütete in dieser Zeit. Im Krieg wurde sie von Soldaten eingeschleppt. So verzeichnet allein das Katharinaberger Matrikenbuch von 1631 bis 1637 364 Pesttode. In den Jahren 1680/81 war die letzte große Pestepidemie.
Zur Erinnerung und ständigen Mahnung errichtete die Bürgerschaft im Jahre 1714 in der Mitte des Marktplatzes eine Pestsäule. Sie wird bekrönt von der Gottesmutter Maria, die nach Ost und West blickend die Stadt unter ihren Schutzmantel nimmt.

Erwerbsquellen
Es wechselten Zeiten reicher Grubenausbeute mit Zeiten schrumpfender Erträge.
Der Abbau der Erze wurde zunehmend schwieriger und kostspieliger. Die Bergleute mussten sich schließlich nach anderen Erwerbsquellen umsehen.
Bei den gegebenen klimatischen Verhältnissen gedieh in unserer Erzgebirgsgegend der Flachs. So breitete sich im 18. und 19. Jahrhundert die Leineweberei und Wirkerei aus. Im Jahre 1763 wurde eine eigene Strumpfwirkerzunft gegründet. Als ab 1828 auch in Marienthal und Oberleutensdorf mechanische Baumwollspinnereien geschaffen wurden, fielen die Preise für die handgefertigten Produkte ins Uferlose. Die Heimhandwerker gerieten abermals in bittere Not.

Und wieder war der Erfindergeist der Erzgebirgler gefragt. Über Jahrhunderte waren unsere Vorfahren mit der Holzbearbeitung vertraut. Im Bergbau fand Holz vielfältige Verwendung. Für den Hausgebrauch wurden schon immer Kannen, Teller, Löffel, Rechen, Schaufelstiele, Kästen, Truhen, Schränke, Tische und Stühle gefertigt. Die Kinder spielten mit den Holzabfällen und sahen in ihrer Vorstellungswelt darin Puppen, Kühe, Pferde und Wagen. Angeregt durch diese kindliche Phantasie schnitzte oder drechselte der Vater diese zunächst recht einfachen Gegenstände für seine Kinder. Immer mehr Dinge des täglichen Lebens der Erwachsenen wurden für die Perspektive der Kinder als Spielzeug hergestellt.
Nach dem Niedergang der Weberei und Wirkerei wurde die Holzspielwarenherstellung die Erwerbsgrundlage für viele Menschen beiderseits der Grenze.

Ab dem 19. Jahrhundert begann auch das Industriezeitalter. Für die verschiedensten Dinge wurden Kisten, Kästchen, Spulen, Ringe und viele andere Gegenstände aus Holz gebraucht. Die ersten größeren Holzwarenfabriken wurden um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet und die Maschinen mittels Transmissionen durch Dampfmaschinen angetrieben. Als unsere Gebirgsorte ab 1912 an das elektrische Stromnetz angeschlossen wurden, konnten die Maschinen der zahlreichen Kleingewerbetreibenden mit der neuen Antriebskraft viel effektiver betrieben werden.
Viele Artikel oder Zulieferteile stellten Frauen und Kinder in Heimarbeit her. Das blieb bis zur Vertreibung so.
Zur Förderung eines qualifizierten Nachwuchses wurde 1930 die Spielwarenfachschule gebaut. Sie war eine segensreiche Einrichtung für die Ausbildung eines fachkundigen Nachwuchses.
Der Ortschronist Alois Walter, selbst ein Spielwarenunternehmer, beschrieb die Situation dieses weit verbreiteten Erwerbszweiges in seiner 1928 gehaltenen Festrede zur Eröffnung der Gewerbeschau anlässlich der 400Jahrfeier so treffend, dass sie in vielen Teilen auch heute noch Gültigkeit hätte.

Die Kirche

Der Grundherr errichtete, wahrscheinlich zwischen 1480 und 1500, das erste Gotteshaus, das hundert Jahre später baufällig war. Die schnell wachsende Bergstadt brauchte einen Neubau, der 1615 als evangelische Kirche gesegnet wurde. Ab 1628 diente sie als katholische Kirche.
Die große Glocke wurde 1616 aus heimischen Erzen am Marktplatz gegossen. Sie läutet noch heute, wenn wir Vertrieben bei unserem jährlichen Treffen in der Heimatkirche Gottesdienst feiern.

Schon sehr früh, um 1530, hatte sich die Mehrheit der Einwohner zum lutherischen Glauben bekannt. Während der Gegenreformation verließen viele, die nicht zum katholischen Glauben zurückfanden, ihre Häuser, Geschäfte, den Broterwerb und die landwirtschaftliche Scholle. Sie gingen als mittellose Exulanten über den nahen Grenzbach Schweinitz „ins Meißnerische“. Der wirtschaftliche Verlust dieses Aderlasses war groß. Zeitweise standen wegen Mangel an Arbeitskräften sogar die Bergwerksanlagen still.

Noch schlimmer wirkte sich die Vertreibung der Deutschen nach dem verlorenen Krieg 1945 aus. Wieder hat sich das Herzland Europas, wie vor 300 Jahren, diesmal nicht aus Glaubensgründen sondern aus verblendetem Rassenhass, in ein wirtschaftliches Chaos gestürzt. Die Folgen der Vertreibung eines Viertels der Staatsbürger, hatten den fast vollständigen Niedergang der von den Deutschen betriebenen Industrien zur Folge. Die einst fruchtbaren Äcker und Wiesen versteppen. Das alles wäre viel offensichtlicher, wenn nicht durch große Fördersummen der EU und auch der Bundesregierung namhafte Firmen und Mittelstandsbetriebe große Ansiedlungshilfen in Tschechien erhielten.
Auch die einst prägende Spielwarenindustrie ist seit der Vertreibung im heutigen Horá Svate Kateřiny ausgestorben.

Die Schule

Es ist anzunehmen, dass seit der Stadterhebung Schulunterricht gehalten wurde. Für das Jahr 1563 ist uns der Schulmeister Felgenhauer nachgewiesen. Das alte Schulhaus steht noch heute zwischen Kirche und Pfarrhaus.

Vor nunmehr 100 Jahren wurde ein neues stattliches Schulgebäude am Marktplatz gebaut. Von 1938 bis 1945 war unter seinem Dach auch die Bürgerschule untergebracht.
Gute und erfahrene Lehrer formten die Schüler und legten die Grundlagen für das künftige Leben in Familie und Beruf. Es befähigte viele von uns zu vielseitigem Studium, zu tüchtigen Handwerkern, hervorragenden Facharbeitern bis zu akademischen Laufbahnen. Die meisten von uns haben bis ins hohe Alter den Lehrern für die umfassende Ausbildung in den Schulen unserer Heimat gedankt.
So wünschen wir von hier aus auch den heutigen Schülern und hoffentlich noch vielen weiteren Generationen, dass sie in diesem Gebäude eine gute Ausbildung erhalten und immer verständnisvolle und einfühlsame Lehrer haben.

400-Jahrfeier

Die Stadt feierte seit Ende Juni 1928 mit vielen Veranstaltungen das große Fest der vierhundertsten Wiederkehr der Stadterhebung.
Eine Gewerbeausstellung legte Zeugnis von dem hohen fachlichen und künstlerischen Stand der heimischen Spielwarenerzeugung ab.
Am 28. Juli 1928 bewegte sich ein langer Fackelzug von der Herrnschänke durch den Grund und die Herrengasse zum Marktplatz und weiter zum Aussichtsturm. Den Abschluss bildete ein großes Feuerwerk.
Der Höhepunkt aber war am 29. Juli 1928 ein kilometerlanger Festzug. In 43 Themenwagen und zahlreichen Fußgruppen wurde die bewegte Geschichte der deutschen Bergstadt anschaulich dargestellt. Auch die umliegenden Orte schickten Festwagen und trugen zum Gelingen des großen Ereignisses bei. Die Festrede hielt am Aussichtsturm der Altbürgermeister von Brüx, Dr. Herold.

Fünfzig Jahre später, 1978, versammelte das Ortsbetreuerehepaar Annl und Pepi Pach die vertriebenen Katharinaberger in Würzburg, um der Stadterhebung unseres Heimatortes zu gedenken. Von den in der damaligen DDR wohnenden Heimatfreunden hatten leider nur wenige die Gelegenheit, dabei zu sein. Auch diese Festveranstaltung blieb den Teilnehmern in guter Erinnerung.

Einige der hier Versammelten, sind die letzten noch lebenden Zeugen der Festtage der 400 oder 450 Jahresgedenkfeiern.
Nun haben wir noch einmal der einst Freien Bergstadt Katharinaberg gedacht und die wechselvolle 800jährige deutsche Geschichte unserer Heimat an uns vorüber ziehen lassen. Mit unserer Vertreibung in den Jahren 1945/46 fand alles Streben und alles Planen ein jähes Ende.


Nach mehr als einem halben Jahrhundert ist das uns allen vertraute Katharinaberg und heutige Hora Svaté Kateřiny am 1.4.2008 wieder zur Stadt erhoben worden.
Wenn wir morgen unsere einst so lebensfrohe Heimatstadt besuchen, treffen wir Menschen denen dieser Ort zur zweiten Heimat geworden ist.

Uns allen wünsche ich schöne und erlebnisreiche Tage in unserem Erzgebirge. Ganz gleich wo wir jetzt leben, die Heimat werden wir immer im Herzen tragen.
Euch allen rufe ich ein herzliches „Glückauf“ zu.

Verfasst von Erich Philipp, vorgetragen von Ortsbetreuerin Elli Vier, geb. Schmieder

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